Die Fotografie ist so vielfältig wie die Einsatzgebiete, die Techniken und die Menschen hinter der Kamera. Jeder hat seine speziellen Einsatzfelder und Sichtweisen auf das Thema. Aufgrund meiner fotografischen Ausbildung beurteile ich ein Bild sehr stark nach seiner rein technischen Perfektion. Das alleine reicht natürlich nicht. Es muss auch gestalterisch interessant sein und Interesse beim Betrachter wecken. Dann ist es ein gutes Bild.
Kürzlich sind mir einige Bilder eines Fotokünstlers aufgefallen, bei denen ich nach meinen handwerklich-technischen Kriterien nur eine eindeutige Überbelichtung mit stark ausgefressenen Lichtern feststellen konnte. Der Künstler erklärte das allerdings als ein Gestaltungselement und sprach von einem „lebendigen Ausdruck“. Diese Diskrepanz in der Bildbeurteilung war der Anlass für mich einmal über das Wesen der Fotografie nachzudenken.
Ist Fotografie Handwerk oder Kunst? Sie kann natürlich beides sein und eine exakte Trennung ist kaum möglich. Heute ist fast jeder ein „Fotograf“. Die Smartphones und die sozialen Netzwerke haben uns eine riesige Bilderflut beschert. Darunter ist vieles, was weder das Ergebnis einer handwerklichen noch einer künstlerischen Arbeit ist. Diese dritte Kategorie möchte ich mal als „Knipsen“ bezeichnen. Man überlässt die Einstellungen weitgehend den Automatiken moderner Smartphones oder Kameras. Auch das hat fraglos seine Berechtigung für eine schnelle Dokumentation und einfache Erinnerungsbilder.
Von handwerklicher Fotografie würde ich sprechen, wenn jemand die Techniken beherrscht und anwendet um zielgerecht ein Bild für einen bestimmten Verwendungszweck zu erstellen. Das heißt Gestaltung, Beleuchtung, Belichtung, Schärfeführung usw. müssen passen. Dabei ist die Einstufung des Fotografen als Amateur oder Profi unerheblich. Der ganze Prozess bis zum nachbearbeiten Bild ist natürlich auch ein kreativer Vorgang und die Grenze zur Kunst ist fließend. Am Ende kann ein handwerklich gutes Bild im Auge des Betrachters auch Kunst sein, weil es weit über die perfekte Abbildung der Realität hinaus geht.
Bei einer eindeutig künstlerischen Fotografie muss nach meiner Definition in irgendeiner Weise zusätzlich ein schöpferischer Prozess erkennbar sein. Das heißt unter irgendeinem Aspekt gewinnt das Bild eine Aussage und löst beim Betrachter etwas aus. Das funktioniert in der Regel aber nur wenn der Fotograf die handwerklichen Techniken beherrscht und dann bewusst eingreift. Diese Manipulation kann natürlich auch darin liegen, das man fotografische Regeln verletzt. Ich muss allerdings zugeben, das es mir manchmal schwerfällt Dinge wie krasse Fehlbelichtungen oder Unschärfen in bildwichtigen Details als Gestaltungsmittel zu akzeptieren. Mein Blick ist eher auf technische Fehler gerichtet und ich wäre eher geneigt ein ausgewogenes Ergebnis zu produzieren. Vielleicht sollte man da mutiger sein. Das gilt aber nur, wenn freie Gestaltungsmöglichkeit besteht. Bei einer normalen fotografischen Arbeit sollte man im Zweifel doch eher bestrebt sein eine handwerklich saubere Arbeit abzuliefern.
Fazit: Nach meiner persönlichen Auffassung ist das Beherrschen der handwerklichen Techniken die Grundvoraussetzung für ein gutes Bild. Verfremdungseffekte und das Brechen fotografischer Regeln kann die Bildwirkung erhöhen, es muss aber als bewusstes Gestaltungselement erkennbar sein. Ich würde den Begriff der handwerklichen Fotografie sehr weit fassen und die „Gebrauchskunst“ mit einschließen. Wenn man unbedingt eine Trennung zur Kunst vornehmen will dann sind die Kriterien sehr subjektiv. Im Zweifelsfall würde ich jedem, der seine Bilder als Ausdruckmittel versteht, zugestehen den Begriff Kunst dafür zu verwenden.
RSS-Feed meines Blogs: